Studium mit Duldung oder
Aufenthaltsgestattung
www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/gesetzgebung/Studium_mit_Duldung.html
Ein Studium ist mit einer Duldung oder Aufenthaltsgestattung
grundsätzlich möglich, und wir kennen einige, die das
ganz legal geschafft haben.
Seit 1.1.2009 wird die
Möglichkeit eines Studiums mit Duldung durch das "Arbeitsmigrationsteuerungsgesetz"
auch
offiziell
anerkannt.
Die bundesgesetzliche
Neuregelungen ermöglicht ein Bleiberecht für qualifizierte
Geduldete, die studieren und einen inländischen
Hochschulabschluss
erwerben.
Das "Arbeitsmigrationsteuerungsgesetz"
beinhaltete
für
qualifizierte
Geduldete
im neuen § 18a
AufenthG den Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis zu
Erwerbszwecken
und damit ein auf Dauer angelegtes Bleiberecht, wenn der bisher nur
geduldete Ausländer einen inländischen Hochschulabschluss
erwirbt und einen angemessenen Arbeitsplatz nachweisen kann. Zudem
müssen gemäß § 18a AufenthG bestimmte weitere
Voraussetzungen erfüllt sein (keine
Identitätstäuschung
usw.) Die Regelung schließt auch Asylbewerber ein, die ein
Studium aufnehmen, wenn sie im Zeitpunkt des Hochschulabschlusses
die
Anspruchsvoraussetzungen für eine Duldung und die übrigen
Voraussetzungen des § 18a erfüllen.
Um das Studium auch finanziell zu ermöglichen, wurde
zudem
für Geduldete nach mindestens 4 Jahren Voraufenthaltsdauer als
Asylbewerber und/oder Geduldeter in § 8 Abs. 2b BAföG auch
ein Anspruch auf Ausbildungsförderung geschaffen.
Seit 1.7.2011 sieht zudem § 25a Aufenthaltsgesetz unter
bestimmten Voraussetzungen eine Aufenthaltserlaubnis für
Studierende mit Duldung vor - mehr dazu hier!
Studierverbot?
Zu unterscheiden ist zwischen
- einem rechtlichen Studierverbot seitens der Ausländerbehörde
(Studierverbotsauflage) oder der Hochschule
(verweigert ggf. Immatrikulation wegen unsicherem
Aufenthaltsstatus),
und
- einem faktischen Studierverbot dadurch, dass man in vielen
Fällen während des Studiums weder
BAföG
noch
Sozialhilfe
nach AsylbLG erhalten kann, und
- einem faktischen Studierverbot deshalb, weil z.B. die Residenzpflicht entgegensteht,
oder
möglicherweise vor Abschluss des Studiums der Aufenthalt
beendet
wird usw.
Wenn erklärt wird, ein "Studium mit Duldung oder
Aufenthaltsgestattung geht nicht", können damit also ganz
unterschiedliche Probleme gemeint sein. Dazu ist anzumerken, dass
auch
ein Studium mit einer Duldung oder Aufenthaltsgestattung
grundsätzlich möglich ist, und wir einige kennen, die das
ganz legal geschafft haben.
Ein Weg wäre die freiwillige Aus- und anschließende
Wiedereinreise mit einem Visum
zu
Studienzwecken, was ich aber nur dann empfehlen
würde, wenn bereits vor der Ausreise alle Voraussetzungen
100%ig
geklärt sind (Studienplatz in Aussicht, Studienfinanzierung
gesichert usw.) und seitens Ausländerbehörde und Botschaft
verbindliche und verlässliche Zusagen existierten, dass eine
kurzfristige Visumserteilung und Wiedereinreise zum Studium
sichergestellt ist.
Ein Visum zum Studium setzt u.a. einen Pass sowie den Nachweis der
Lebensunterhaltssicherung voraus, mehr dazu siehe
www.daad.de
Da die Studienstiftungen
meist kein Studium ab dem erstem Semester finanzieren, ist ggf.
ein anderer Finanzierungsnachweis, z.B. über Zusagen von
finanziell leistungsfähigen Verwandten etc. erforderlich.
Ein anderer Weg ist das Studium
mit
Duldung. Dem stehen zahlreiche Hindernisse
entgegen,
die aber grundsätzlich überwindbar sind:
1. Residenzpflicht: Die ist
bei einer Duldung laut Gesetz auf das jeweilige Bundesland
beschränkt, darüber hinausgehende Beschränkungen,
z.B.
auf den Landkreis, sind in der Praxis häufig, aber im Gesetz
(§ 60a AufenthG) nicht vorgeschrieben und ohne besondere
einzelfallbezogene Gründe auch rechtswidrig. Ggf. sollte man
zum
Zweck des Studiums die Änderung
der Auflage beantragen. Eine Erweiterung der Duldung zu
Ausbildungszwecken auch über das
jeweilige Bundesland hinaus ist seit 1.7.2011 grundsätzlich
möglich, vgl. §
61 AufenthG
Auch die Aufenthaltsgestattung für Asylbewerber ist
grundsätzlich
auf den Landkreis/Stadtkreis beschränkt. In vielen
Bundesländern dürfen Asylbewerber sich mittlerweile auch
generell
in mehreren Kreisen oder im gesamten Bundesland aufhalten. Nach §
58 AsylVfG ist seit 1.7.2011 eine Erweiterung der
Aufenthaltsgestattung zu Ausbildungszwecken auch über das
jeweilige Bundesland hinaus möglich, vgl. § 61 AsylVfG.
2. Hochschulrecht: Einzig
in
Baden-Württemberg verbietet das Hochschulrecht die
Immatrikulation von Asylbewerbern und Geduldeten: § 60 Abs. 5
HochschulG
Ba-Wü: "Die
Immatrikulation muss ...einer Person versagt werden, die ... 4.
als
Ausländer keinen Aufenthaltstitel, der zur Aufnahme eines
Studiums
berechtigt oder dieses nicht ausschließt, oder keine
Aufenthaltserlaubnis-EU besitzt." Duldung und
Aufenthaltsgestattung
sind in der juristischen Terminologie keine "Aufenthaltstitel"
(§
4 Abs. 1 AufenhG).
Es ist nicht auszuschließen, dass auch Hochschulen anderer
Bundesländer im Einzelfall eine
Immatrikulation von Asylbewerbern und Geduldeten verweigern. Dies
ist jedoch regelmäßig rechtswidrig, da eine solche Praxis
von den Hochschulgesetzen der übrigen Länder nicht gedeckt
ist.
3. Asylbewerber und Ausländer mit Duldung erhalten von der Ausländerbehörde
mancherorts eine "Studierverbotsauflage", die nur in
Ausnahmefällen (u.a. Nachweis der Finanzierung ohne
Sozialhilfe)
aufgehoben wird. Das ist unseres Wissens derzeit nur in Berlin,
Brandenburg und
Thüringen der Fall.
Junge Flüchtlinge in Brandenburg haben deshalb im Mai 2006 mit
dem
Innenministerium ein Gespräch geführt. Das Ergebnis ist
ein Erlass
des
Innenministeriums
Brandenburg
vom
24.05.2006. Ein Studierverbot
soll
dort nur noch in besonders begründeten Fällen festgesetzt
werden, die Aufhebung des Verbots kann
beantragt werden.
4. Streichung der Sozialhilfe nach
AsylbLG:
Studierende haben grundsätzlich keinen Anspruch auf Sozialhilfe
nach § 2 AsylbLG (§ 2 AsylbLG i.V.m. § 22 SGB XII)
oder
auf Grundsicherung für Arbeitsuchende (Arbeitslosengeld II bzw.
Hartz IV, vgl. § 7
Abs. 5 SGB II). Nur in besonderen Härtefällen können
diese
Leistungen (ggf. als Darlehen) gewährt werden, ein für
Ausländer ggf. fehlender Anspruch auf BAföG oder BAB
begründet allein aber noch keinen Härtefall.
Die Einschränkung gilt jedoch nicht für Auszubildende
sowie
Studierende mit Anspruch auf Sozialhilfe nach §§ 3-7
AsylbLG,
da das AsylbLG selbst kein leistungsrechtliches Ausbildungsverbot
kennt
(OVG
Münster 12 B 797/00, B.v. 15.06.01, InfAuslR 2001, 455;
NVwZ-Beilage I 2002).
5. BAföG-Anspruch (siehe
auch
www.bafoeg-rechner.de):
Nach
dem
22.
BAföG-Änderungsgesetz
erhalten Ausländer
mit einer Aufenthaltserlaubnis,
mit
der
sie
voraussichtlich
auf Dauer in Deutschland bleiben werden, seit
Januar 2008 gemäß
§ 8
BAföG auch
unabhängig von einer vorherigen Erwerbstätigkeit ihrer
Eltern Anspruch auf BAföG (und nach § 59
SGB III auf BAB), ebenso seit Januar 2009
gemäß § 8 Abs. 2a BAföG auch Ausländer mit
Duldung nach vierjährigem Voraufenthalt, mehr dazu hier.
Ausländer, die die vorgenannten Voraussetzungen nicht
erfüllen, z.B. Geduldete mit weniger als 4 Jahren Voraufenthalt
sowie Asylbewerber, haben nach
§ 8
Abs. 3 BAföG nur Anspruch, wenn sie selbst
mindestens 5
Jahre oder mindestens ein Elternteil in den letzten 6 Jahren
mindestens
3 Jahre in Deutschland gearbeitet hat. Weitere Voraussetzung ist ein
Wohnsitz und "gewöhnlicher" Aufenthalt in Deutschland, der aber
nach mehr als 3 Jahren Aufenthalt - jedenfalls wenn eine
Aufenthaltsbeendung nicht absehbar ist - auch mit einer Duldung
gegeben
sein dürfte (§ 30 SGB I).
6. Aufenthaltserlaubnis
für
langjährig Geduldete oder Asylsuchende: Bei
langjährigem Aufenthalt kann und sollte an Stelle der Duldung
ein
asylunabhängiges Bleiberecht treten, für hier
aufgewachsene Kinder und Jugendliche schon aus menschenrechtlichen
Gründen, aber auch entsprechend der Zielsetzung des
Zuwanderungsgesetzes, die Kettenduldung abzuschaffen.
Mit der Aufenthaltserlaubnis hat sich eine ausländerrechtliche
Studierverbotsauflage in der Regel erledigt. Seit 2008 besteht in
der Regel auch ein Anspruch auf
Ausbildungsförderung (BAföG oder BAB, s.o.). Soweit eine
ausländerbehördliche Auflage (Studierverbot,
Residenzpflicht, Wohnsitzauflage) dennoch die Aufnahme einer
gewünschten Ausbildung oder
Studiums faktisch oder tatsächlich be- oder verhindert,
dürfte die Auflage ermessensfehlerhaft sein. Man sollte die
Aufhebung der Auflage beantragen und ihre Streichung
erfoderlichenfalls mit anwaltlicher Hilfe bei
Gericht durchsetzen.
Eine Reihe von rechtlichen Möglichkeiten zur Erteilung einer
Aufenthaltserlaubnis aus "humanitären Gründen"
enthält
das Zuwanderungsgesetz:
* §§ 23 und 104a Aufenthaltsgesetz (Aufenthaltserlaubnis
aufgrund einer Altfallregelung,
setzt
eine
politische
Entscheidung
des
Gesetzgebers und/oder der
Innenministerkonferenz voraus, mehr dazu hier),
* § 23a Aufenthaltsgesetz (Aufenthaltserlaubnis durch das
Landesinnenministerium, Härtefallregelung
aufgrund
einer
Empfehlung
der
Härtefallkommission
des
Bundeslandes), Übersicht zu
Praxis, Verfahren und Zuständigkeiten in den Bundesändern
siehe hier
(pdf),
* § 25 Abs. 4 Aufenthaltsgesetz (Härtefallregelung
nach
Entscheidung
der
Ausländerbehörde, ist anschließend an einen
bereits erlaubten Voraufenthalt (Visum oder Aufenthaltserlaubnis) im
Rahmen einer befristete oder dauerhafter Härteregelung
möglich,
* § 25 Abs. 5 Aufenthaltsgesetz (Aufenthaltserlaubnis bei nicht
selbst zu vertretender tatsächlicher
oder
rechtlicher
Unmöglichkeit
der
Rückkehr),
ermöglicht grundsätzlich ein Aufenthaltsrecht z.B.
für
Ausländer aus Ländern wie Irak, Afghanistan, Somalia,
Minderheiten aus dem Kosovo, Palästinenser aus dem Libanon,
* § 25a Aufenthaltsgesetz (Aufenthaltserteilung an gut integrierte junge Menschen
im
Alter zwischen 15 und 20 Jahren) seit 1.7.2011- mehr dazu hier!
-,
* §§ 18a Aufenthaltsgesetz (Aufenthaltserlaubnis zu
Erwerbszwecken und damit ein
auf Dauer angelegtes Bleiberecht für bisher geduldete
Ausländer, die einen inländischen Hochschulabschluss erwerben und
einen
angemessenen Arbeitsplatz finden, mehr dazu hier),
Die Handhabung der genannten Regelungen des Zuwanderungsgesetzes ist
in
der Praxis jedoch meist sehr restriktiv. Politisch ist es unseres
Erachtens ein
Skandal, dass hier aufgewachsene und integrierte Kinder und
Jugendliche
auch nach Jahren noch mit Hilfe einer "Duldung" von
Teilhabemöglichkeiten an der Gesellschaft ausgegrenzt werden.
7. Wir setzen uns - mit Gewerkschaften,
Wohlfahrtsverbänden, Kirchen und anderen gesellschaftlichen
Gruppen - für eine großzügige Bleiberechtsregelung
für
langjährig in Deutschland
lebende Asylsuchende und Geduldete ein, die auch die
Möglichkeiten
zur Integration und z.B. auch zum Studium beinhaltet.
Im Laufe des Jahres 2012 haben mehrere Bundesländer
über den Bundesrat Gesetzesinitiativen
für eine stichtagsunabhängige
Bleiberechtsregelung im Rahmen eines neuen §
25b Aufenthaltsgesetz eingebracht.
Die Vorschläge orientieren sich an der in § 104a AufenthG
vorausgetzten Aufenthaltsdauer (siehe oben), kommen jedoch ohne
festen Einreisestichtag aus, verzichten auf Ausschlüsse wegen
früherer Täuschungen und fehlender Mitwirkung, und
beziehen anders als § 104a AufenthG auch alte, kranke und
behinderte Ausländer mit ein. Im Laufe des Jahres 2013 wird
sich zeigen ob es gelingt, die bundesgesetzliche Neuregelung
über Bundesrat und Bundestag in Kraft zu setzen.
Mehr dazu siehe
In jedem Bundesland setzt sich unter anderem der dortige
Flüchtlingsrat für eine solche Bleiberechtsregelung und
deren
großzügige Umsetzung ein. Kontaktadressen findest Du hier
Viel Erfolg wünscht
Georg Classen
http://www.fluechtlingsrat-berlin.de
(c) Georg Classen, Februar
2013