BAföG und BAB - Zugang zur Ausbildungsförderung für junge MigrantInnen

Wir erleben täglich, dass die "Jobcenter" mit Hilfe der "Hartz IV"-Gesetze ausländische Jugendliche daran hindern, eine Berufausbildung oder ein Studium aufzunehmen, oder sie sogar auffordern, eine bereits laufende Ausbildung unverzüglich abzubrechen. Der Ausbildungsabbruch wird dann vom Jobcenter mit ALG II- Leistungen prämiert.

Es geht um junge MigrantInnen, deren ihre Eltern wegen geringen Einkommens keine Ausbildung finanzieren können, oder deren Eltern langzeitarbeitslos, krank, behindert, abgeschoben, inhaftiert oder tot sind. BAföG oder BAB für eine schulische oder betriebliche Berufsausbildung erhalten Ausländer bisher jedoch nur, wenn sie anerkannt asylberechtigt, Konventionsflüchtling oder jüdische Zuwanderer, einen deutschen Ehepartner oder dt. Elternteil haben, und in manchen Fällen Unionsbürger - so § 8 I BAföG / § 63 I SGB III .

Wer keinen der genannten Aufenthaltstitel hat - wie 90 % aller Ausländer - bekam BAföG/BAB bisher nur, wenn seine Eltern mindestens 3 Jahre in Deutschland gearbeitet und unabhängiog von Sozialleistungen gelebt haben - so § 8 II BAföG bzw. § 63 II SGB III in der bis Ende 2007 geltenden Fassung und die zugehörigen Verwaltungsvorschriften. Bei einem ausländerrechtlichen Arbeitsverbot oder Langzeitarbeitslosigkeit gilt davon keine Ausnahme.

§ 7 Abs. 5 SGB II bzw. § 22 SGB XII regeln, dass ALG II (Hartz IV) oder Leistungen nach § 2 AsylbLG/SGB XII
nicht erhält, wer eine dem Grunde nach nach BAföG/SGB III förderungsfähige Ausbildung aufnimmt. Das gilt auch, wenn er als Ausländer wegen § 8 BAföG/§ 63 SGB III gar keine "Ausbildungsförderung" erhalten kann!

Folge: Wir kennen viele ausländische Jugendlichen, die von den Jobcentern aufgefordert wurden, ihre (ggf. sogar finanziert über die Sozial- oder Jugendhilfe begonnene, teils auch über eine vom Jobcenter geförderte "berufsvorbereitenden Maßnahme" eingeleitete) berufliche Ausbildung abzubrechen:


* Der Ausbildungsabbruch wird dann (anders als bei deutschen Jugendlichen, vgl. § 31 SGB II) durch staatlichen Sozialleistungen honoriert!


In besonderen Härtefällen könnte ALG II als Darlehen gewährt werden. Das führt dann dazu, dass der Jugendliche nach einer schulischen Berufsausbildung 25.000 Euro Schulden beim Jobcenter hat. In der Regel wird jedoch von den Jobcentern auch die Anerkennung eines Härtefalls abgelehnt. KollegInnen aus der Berliner Senatsverwaltung für Arbeit beklagen, das Land Berlin habe "faktisch keinen Einfluss" auf die Entscheidungspraxis der maßgeblich "aus Nürnberg gesteuerten" Jobcenter.

Betroffen vom leistungsrechtlichen Ausbildungsverbot für MigrantInnen waren bisher viele Jugendliche, die seit 5, 10 oder 15 Jahren hier leben, und nach §§ 23 I, 23a, 25 III-V AufenthG (Altfall- und Bleiberechtsregelungen; Härtefallkommission; Abschiebeschutz wg. Gefahr für Leib und Leben; rechtliche und tatsächliche Unmöglichkeit der Rückkehr) ein auf Dauer angelegtes Bleiberecht erhalten haben. Ihre Eltern durften aber wegen des Arbeitsverbotes noch keine 3 Jahre hier arbeiten.

Betroffen vom leistungsrechtlichen Ausbildungsverbot waren auch hier geborene und aufgewachsene ausl. Jugendliche mit unbefristeter Niederlassungserlaubnis, deren Eltern  wegen Langzeitarbeitslosigkeit, Krankheit, Behinderung oder Tod oder Abschiebung usw. in den vergangenen Jahren nicht in Deutschland arbeiten konnten. Auch sie erielten gemäß §§ 8 BAföG, § 63 SGB III, § 7 SGB II keinerlei Leistungen zum Lebensunterhalt mehr, sobald sie eine Ausbildung aufnehmen!

Besonders betroffen vom leistungsrechtliche Ausbildungsverbot waren unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (UMF), ohne ihre Eltern nach Deutschland gekommene Jugendliche, da ihre Eltern naturgemäß noch keine 3 Jahre in Deutschland gearbeitet haben... (!). Das galt auch dann, wenn die Eltern längst tot sind.


Unsere Forderung: BAföG und SGB III müssen dringend geändert werden!

Wer auf absehbare Zeit in Deutschland lebt muss hier auch eine Ausbildung machen können. Auch für Asylbewerber und Geduldete muss diese Möglichkeit bestehen, denn egal ob sie zurückkehren müssen oder bleiben können ist es auf jeden Fall sinnvoll, wenn sie wichtige Jahre ihrer Jugend dich Ausbildung nutzen, statt durch behördlich erzwungenes Nichtstun beruflich dequalifiziert zu werden.



Änderung des BAföG und der BAB ab Januar 2008

Die Bundesregierung hat unsere Forderungen gehört. Am 14.02.07 wurde der Entwurf für ein 22. Gesetz zur Änderung des BAföG beschlossen (vgl. BT-Drs. 16/5172 v. 27.04.07), der neben anderen Änderungen für einen Teil der jungen MigrantInnen und Flüchtlinge mit Aufenthaltserlaubnis die beschriebene Förderungslücke im BAföG und im SGB III teilweise schließen soll. Am 16.11.07 hat der Bundestag mit einigen vom zuständigen Bundestagsausschuss vorgeschlagenen Änderungen, insbesondere einer 10%igen Erhöhung des BAföG ab 01.10.07 (BT-Drs 16/7214 v. 15.11.07) das 22. BAföG-ÄndG in 2. und 3 Lesung beschlossen. Die Zustimmung des Bundesrates am 20.12.07 gilt als sicher.

Die Regelung über die verbesserte Migrantenförderung wird - anders als die Erhöhung des BAföG - bereits am Tag nach Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt, voraussichtlich im Laufe des Januar 2008 in Kraft treten. Nach dem 22. BAföG-Änderungesetz erhalten Ausländer mit einer Aufenthaltserlaubnis, mit der sie voraussichtlich auf Dauer in Deutschland bleiben werden, künftig auch unabhängig von einer vorherigen Erwerbstätigkeit ihrer Eltern einenAnspruch auf BAföG und BAB. 

Die Regelung über die verbesserte Migrantenförderung trat - anders als die Erhöhung des BAföG - bereits am Tag nach Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt am  01. Januar 2008 in Kraft. Hier das neue Gesetz im Wortlaut.

Anspruch wie Deutsche allein aufgrund ihres ausländerrechtlichen Status haben künftig: Ausländer mit Niederlassungserlaubnis, mit Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 22, 23, 23a, 25 Abs. 1, 2, 3, 4 Satz 2 oder 5, den §§ 28, 30, 31, 32, 33, 34, 37, 38 Abs. 1 Nr. 2 oder § 104a AufenthG, oder einem Daueraufenthaltsrecht nach dem FreizügG/EU. In einigen Fällen ist ein vierjähriger erlaubter, geduldeter oder gestatteter Voraufenthalt erforderlich.
Seit 1.1.2009 haben zusätzlich auch Ausländer mit Duldung nach vierjährigem erlaubten, geduldeten oder gestattetem VoraufenthaltAnspruch auf BAföG.

Keinen Anspruch allein aufgrund ihres ausländerrechtlichen Status haben auch künftig: Asylsuchende Ausländer, Ausländer mit Aufenthalt nur zum Zweck der Ausbildung bzw. des Studiums (§ 16 f. AufenthG), Ausländer mit befristetem Arbeitsaufenthalt (§ 18 ff. AufenthG), Ausländer mit Aufenthaltserlaubnis nach § 24, § 25 IV Satz 1 oder § 25 IVa AufenthG, sowie Unionsbürger, die kein Freizügigkeitsrecht als Familienangehörige, Daueraufhältige oder aufgrund einer in inhaltlichem Zusammenhang mit der aufgenommenen Ausbildung stehenden vorherigen Erwerbstätigkeit besitzen. Sie könenn jedoch wie bisher durch eine vorherige Erwerbstätigkeit ihrer Eltern einen Anspruch erwerben.

Selbstverständlich müssen wie bei Deutschen die übrigen Voraussetzungen nach dem BAföG (materielle Bedürftigkeit, Altersgrenze, förderungsfähige Ausbildung etc.) erfüllt sein.

Januar 2009

Georg Classen
Flüchtlingsrat Berlin
www.fluechtlingsrat-berlin.de